Drei gute Gründe für Entwicklungspolitische Bildungsarbeit im globalen Norden

In Luxemburg betreiben ca. 30 Nichtregierungsorganisationen entwicklungspolitische Bildungsarbeit (andere verwendete Begriffe sind Éducation au développement, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Menschenrechtsbildung, Citizenship education und Globales Lernen). Eine davon ist die Fondation Follereau.

Entwicklungspolitische Bildung findet in verschiedenen Formen statt: Zum Beispiel als Konzert, Fotoausstellung, Vortrag, mehrwöchiges Schulprojekt oder als zweistündiger Workshop. Im Fokus kann ein ganz konkretes Thema stehen, wie beispielsweise Kinderarbeit zur Rohstoffgewinnung für die Herstellung von Smartphones, oder auch ein ganzer Themenkomplex wie beispielsweise die Rechte der von Behinderung betroffenen Menschen.

Der Workshop „One World Citizens“, welcher von der Fondation Follereau angeboten wird, versucht zum Beispiel ein globales Bild ungerechter Lebensverhältnisse und Ressourcenverteilung zu zeichnen, und behandelt dabei Themen wie Geschlechterungleichheit, Umweltschutz, Gesundheit, Bildung und Armut. Dabei wird die Rolle der Vereinten Nationen ebenso thematisiert wie die von Nichtregierungsorganisationen und jeder und jedem Einzelnen von uns.

Warum entwicklungspolitische Bildungsarbeit wichtig und bereichernd ist, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

1. Wir hören und sehen ständig Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen, wie die grausame Behandlung von flüchtenden Menschen an den Außengrenzen Europas, Ungerechtigkeit, wie die Monopolisierung des Trinkwassers durch Nestlé, und Katastrophen, wie das Erdbeben in Haiti, welche uns mit Gefühlen der Wut, Trauer, Angst, Machtlosigkeit und Resignation erfüllen. Entwicklungspolitische Bildungsarbeit will dem etwas entgegensetzen. Sie ermöglicht es Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verstehen und eröffnet neue Perspektiven. Zentral ist dabei die Reflexion der eigenen Position innerhalb des Weltgeschehens, z.B. bezogen auf unser Konsumverhalten, unsere gesellschaftliche Partizipation und unsere Lebensweise generell, und die sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten. So fördert entwicklungspolitische Bildung globales Denken und lokales Handeln, um die bestehenden Umstände und Strukturen zu verbessern und ein Zeichen gegen Machtlosigkeit und Resignation zu setzen.

2. Die zunehmende Heterogenität der Menschen im Globalen Norden, sei es aufgrund von Migration, Milieuzugehörigkeit, sozialer Benachteiligung oder zunehmender Individualisierung, geht nicht mit einer größeren Sensibilität der Menschen für- und untereinander und mehr Weltoffenheit einher. Ganz im Gegenteil, es lässt sich eine Zunahme von Vorurteilen, Egoismus, Menschenfeindlichkeit und eine Verrohung der Gesellschaft beobachten. Die antimuslimischen und frauenfeindlichen Aussagen und Aktionen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump sind ein Paradebeispiel dieser aktuellen Entwicklung. Entwicklungspolitische Bildung versucht dem mit Aufklärung und der Anregung kritischer (Selbst-)Reflexion entgegen zu wirken. Sie ermöglicht es Ungerechtigkeiten zu erkennen, nachzuempfinden und über deren menschengemachte Ursachen aufzuklären. Wer ein Problem und seine Ursachen kennt, dem eröffnen sich auch Handlungsmöglichkeiten. So fördert entwicklungspolitische Bildung anhand ihrer Aktivitäten Solidarität, Toleranz und den Zusammenhalt der Gesellschaft.

3. Entwicklungspolitische Bildung versucht zu vermitteln, dass moderne Entwicklungszusammenarbeit auf Partnerschaften auf Augenhöhe basiert und nicht auf Almosen und Mitleid, wie dies bspw. durch die großen Live Aid Konzerte von Bob Geldorf vermittelt wurde. In unserer globalisierten Welt sind nicht nur Waren und Dienstleistungen, sondern auch Menschen enger miteinander verbunden, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Viele der Vorteile und Selbstverständlichkeiten (wie z.B. Nahrung, Kleidung und Elektrogeräte zum Nulltarif), die wir im Globalen Norden genießen, basieren auf der Benachteiligung und Ausbeutung von Menschen im Globalen Süden. Daher betreffen globale Ungleichheiten jede und jeden von uns. Entwicklungspolitische Bildung versucht globale Verantwortung, nicht zu verwechseln mit Schuldgefühlen oder einem schlechten Gewissen, zu fördern. Moderne Entwicklungszusammenarbeit (aus der Perspektive des Globalen Nordens) bedeutet nicht, sich von dieser Verantwortung einfach durch Spenden freizukaufen. Vielmehr will sie dieser Verantwortung ganz bewusst nachkommen, indem sie einerseits Partnerorganisationen vor Ort unterstützt und andererseits durch Bildungsarbeit ein Umdenken fördert, welches im Idealfall mit mehr gesellschaftlicher Partizipation einhergeht.

Entwicklungspolitische Bildung ist nicht die Lösung für alle globalen Probleme und darf nicht zu ideologischen Zwecken oder zur Gewissensberuhigung instrumentalisiert werden. Aber sie wagt den Schritt aus der Resignations-Komfortzone, hat den Mut unbequeme Fragen zu stellen und bietet Raum für Alternativen zum Status quo.

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